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Von der grauen Maus zum strahlenden Stern? Gesunder Selbstwert und wie er sich in der Psychotherapie fördern lässt

Kursnummer:
26-1-009
Erster Kurstag:
Fr., 06.03.2026, 09:00 - 16:30 Uhr
Zweiter Kurstag:
Sa., 07.03.2026, 09:00 - 16:30 Uhr
Dauer:
16 UE
Fortbildungspunkte:
20 FBP
Gebühr:
−10% 44550 €

Von der grauen Maus zum strahlenden Stern? Gesunder Selbstwert und wie er sich in der Psychotherapie fördern lässt

 

Selbstwertbezogene Interventionen in der Psychotherapie: Wann, wie und mit welchem Ziel?

„Ich möchte an meinem Selbstwert arbeiten“ – diesen Wunsch äußern Patienten häufig bereits in den ersten Therapiesitzungen. Die wissenschaftliche Fundierung dieser intuitiven Priorisierung ist eindeutig: Eine Metaanalyse von 77 Längsschnittstudien belegt, dass niedriger Selbstwert signifikant zur Entwicklung von Depressionen beiträgt (Sowislo & Orth, 2013). Bei 13,9 % der erwachsenen Bevölkerung wird jährlich eine Depression diagnostiziert (Bretschneider et al., 2024), und vermindertes Selbstwertgefühl ist nicht nur Symptom, sondern nachweislich auch Risikofaktor. Sie kennen das aus Ihrer Praxis: Patienten mit ausgeprägter Selbstkritik, die jeden therapeutischen Fortschritt sofort entwerten. Patienten, bei denen klassische kognitive Techniken ins Leere laufen, weil die Selbstabwertung tiefer sitzt als einzelne dysfunktionale Gedanken. Patienten, deren Vermeidungsverhalten letztlich dem Schutz eines fragilen Selbstwerts dient.

Die zentrale Frage lautet: Benötigt wirklich jeder Patient mit niedrigem Selbstwert eine explizite Selbstwertintervention – oder profitieren manche eher davon, wenn Selbstwertthemen im Rahmen der Störungsbehandlung mitlaufen? Und welche Veränderungen sind überhaupt realistisch? Dieser Workshop vermittelt Ihnen das differenzialdiagnostische und therapeutische Handwerkszeug, um diese Entscheidungen fundiert zu treffen und selbstwertbezogene Interventionen gezielt und effektiv einzusetzen.

 

Was Sie in diesem Kurs erwartet:

Sie lernen zunächst, wann eine explizite Arbeit am Selbstwert indiziert ist und wann etablierte störungsspezifische Interventionen ausreichen. Die wissenschaftliche Evidenz zeigt, dass nicht die Höhe des Selbstwerts allein entscheidend ist, sondern dessen Stabilität, Kontingenz und funktionale Rolle im Störungsgeschehen. Metaanalytische Befunde zu Compassion-Focused Therapy zeigen Effektstärken zwischen 0,19 und 0,90 für Selbstmitgefühl sowie zwischen 0,15 und 0,72 für die Reduktion von Selbstkritik (Swinson et al., 2023). Diese Interventionen sind besonders wirksam bei Patienten mit hoher Selbstkritik und Scham – Merkmale, die häufig mit therapieresistenten Verläufen einhergehen.

Der Kurs folgt einem integrativen Ansatz: Sie erfahren, wie Sie bestehende verhaltenstherapeutische Techniken mit minimalem Aufwand auf Selbstwertthemen fokussieren können. Gleichzeitig werden selbstwertspezifische Interventionen vorgestellt, die auf den Aufbau einer mitfühlenden Selbstbeziehung abzielen. Der theoretische Rahmen verbindet klassische kognitive Ansätze mit Konzepten aus der Compassion-Focused Therapy und dem Selbstmitgefühls-Training. Alle vorgestellten Techniken sind ambulant umsetzbar, gut mit Richtlinienverfahren kombinierbar und können sowohl im Einzel- als auch im Gruppensetting eingesetzt werden.

 

Konkret werden behandelt:

  • Differenzialdiagnostik des Selbstwerts: Unterscheidung zwischen niedrigem, instabilem und kontingentem Selbstwert, Identifikation von Patienten, die von expliziter Selbstwertarbeit profitieren, Abgrenzung zu narzisstischen Störungsbildern und ihre therapeutischen Implikationen
  • Integration in bestehende Interventionen: Adaptation etablierter kognitiver und behavioraler Techniken auf Selbstwertthemen, Verhaltensexperimente zur Überprüfung selbstwertrelevanter Annahmen, Aktivitätsaufbau mit Fokus auf Selbstwirksamkeit und realistische Erfolge
  • Aufbau eines „fairen Blicks“: Techniken zur Reduktion des dysfunktionalen inneren Kritikers, kognitive Umstrukturierung selbstabwertender Bewertungsmuster, Arbeit mit Doppelstandards („Würde ich so mit einem Freund sprechen?“)
  • Selbstmitgefühlsorientierte Interventionen: Imaginationsübungen zur Aktivierung des affiliativen Systems (Soothing Rhythm Breathing, Compassionate Self-Imagery), Stuhldialoge zwischen kritischem und mitfühlendem Selbstanteil, praktische Übungen zum Aufbau einer wohlwollenden inneren Haltung
  • Selbstfürsorge als therapeutisches Ziel: Unterscheidung zwischen selbstfürsorglichem und selbst-sabotierendem Verhalten, konkrete Verhaltensaktivierung im Dienst der Selbstfürsorge, Umgang mit Scham und Widerständen gegen Selbstfürsorge („Ich habe es nicht verdient“)
  • Umgang mit therapeutischen Stolpersteinen: Identifikation und Bearbeitung von Vermeidungsverhalten in der Selbstwertarbeit, therapeutische Haltung bei stark selbstkritischen Patienten, Integration bei komorbiden Störungsbildern (insbesondere soziale Phobie, Depression, Essstörungen)
  • Praxisnahe Materialien: Fertige Arbeitsblätter, Imaginationsskripte und strukturierte Übungen für die direkte Umsetzung, Videobeispiele therapeutischer Interventionen, Hinweise zur Abrechenbarkeit im Rahmen der Richtlinienverfahren

 

Warum dieser Kurs?

Die Metaanalyse von Sowislo und Orth (2013) mit 77 Längsschnittstudien liefert robuste Evidenz: Der Effekt von niedrigem Selbstwert auf Depression (β = -.16) ist signifikant stärker als der umgekehrte Effekt. Interventionen zur Selbstwertstärkung sind damit nicht nur symptomorientiert, sondern präventiv wirksam. Die gesellschaftliche Relevanz ist beträchtlich: Selbstwertprobleme sind transdiagnostisch relevant – bei Angststörungen, Depressionen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen und chronischen Schmerzsyndromen.

Die besondere Stärke selbstwertbezogener Interventionen liegt in ihrer Wirksamkeit bei schwer behandelbaren Patienten. Systematische Reviews zeigen, dass Compassion-Focused Therapy besonders effektiv ist für Personen mit hoher Selbstkritik (Leaviss & Uttley, 2015) – also genau jene Patientengruppe, bei der klassische kognitive Umstrukturierung häufig an Grenzen stößt. Die Interventionen sind wissenschaftlich fundiert, praktisch gut umsetzbar und erfordern keine aufwändige Zusatzausbildung. Sie erweitern Ihr therapeutisches Repertoire um Techniken, die Sie sofort in Ihre Praxis integrieren können – egal ob Sie überwiegend kognitiv-behavioral, psychodynamisch oder integrativ arbeiten.

Sie erhalten in diesem Workshop nicht nur theoretisches Wissen, sondern ein differenziertes Entscheidungsmodell für die Praxis: Wann ist Selbstwertarbeit indiziert? Welche Interventionen passen zu welchem Patienten? Wie lassen sich Selbstwertthemen elegant in bestehende Behandlungskonzepte einweben? Sie lernen Techniken kennen, die Ihre Patienten dabei unterstützen, sich selbst mit mehr Mitgefühl zu begegnen – eine Fähigkeit, die nicht nur Symptome reduziert, sondern nachhaltig zur psychischen Gesundheit beiträgt.

 

Dozent:

Dr. Anke Weidmann

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